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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 20.06.2000:

"Schwierig wie das Finden von Trüffeln"

Schulpsychologin Angela Seewald uber Hochbegabung

Die gute Nachricht zuerst: Hochbegabte gibt es wirklich und der oder die eine oder andere hatte schon mit ihnen zu tun. Das ist häufig dann der Fall, wenn diese Kinder reibungslos und erfolgreich ihre Schulzeit durchlaufen. Nun die schlechte Nachricht: Klappt es nicht so einfach in Schule und Elternhaus, ist das Erkennen von Hochbegabten für das ungeübte Auge so schwierig wie das Finden von Trüffeln für ein untrainiertes Ferkel. Aufgrund einer mehr als 10-jährigen bildungspolitischen Debatte und heftigstem Engagement und Druck betroffener Eltern, ist der Kenntnisstand über die speziellen Probleme von Kindern mit besonderen Begabungen in Schule und Öffentlichkeit deutlich gestiegen. Die erhöhte Sensibilität führte zu einer extrem verstärkten Beratungsnachfrage, deren Vehemenz professionelle Berater geradezu von einem "Trend" sprechen lässt.

Deutlich wird hier, dass die erhöhte Quantität nicht zu einem Anstieg der Qualität der Identifikation von Hochbegabung führte. Bewährte Methoden der Identifikation wie Lehrerurteil, Zeugnisse, Wettbewerbsergebnisse, Leistungs- und Intelligenztests, Elterneinschätzung und sogenannte Checklisten führten bei Ratsuchenden eher zu einer Konfusion, denn zu Sicherheit. Bedient man sich beispielsweise der Checklisten und kombiniert beliebig viele Merkmale aus den Kategorien soziales Verhalten, Arbeitshaltung und kognitive Fähigkeiten, erhält man im besten Fall ein lern- und leistungsorientiertes, sozial engagiertes und allseits beliebtes "Ringeltäubchen". Aus denselben Kategorien lässt sich allerdings auch der sogenannte "worst-case" eines introvertierten, aufsässigen, überspannt-ehrgeizigen und individualistischen "Sonderlings" designen.

Die resultierende Ratlosigkeit bei LehrerInnen und Eltern bietet ein El Dorado für GoldgräberInnen der pädagogischen und psychologischen Zünfte, die Diagnose und außerschulische Förderung gleichzeitig anbieten.

Den wissenschaftlichen Stand der Forschung dominieren mehrdimensionale und typologische Fähigkeitskonzepte, die alle kognitiven, motivationalen und sozialen Bedingungsfaktoren von Hochbegabung berücksichtigen. Diese müssen in eine seriöse Diagnosestellung durch qualifizierte Fachkräfte einfließen.

Steht die Diagnose fest "Das Kind ist hochbegabt!", wirft diese sogleich die nächste Frage auf: "Wie ist diese Begabung angemessen zu fördern?" Wichtig ist hierbei der Grundsatz, dass sich Begabung zeigen muss und zeigen darf.

In der Retrospektive lassen sich deutlich Fortschritte hinsichtlich des Aufklärungsstandes von Lehrpersonal und des Ausbaus von Fördermöglichkeiten in der Grundschule beobachten. Besonders wenn pädagogische Konferenzen zum Thema Hochbegabung stattgefunden haben, ist das Überspringen von Klassen, das Einrichten von Zusatzkursen und Arbeitsgemeinschaften keine Ausnahme mehr.

Besonders erfreulich und zentral für die Förderung aller Kinder, auch derer mit besonderen Begabungen, ist der zunehmende Grad an Differenzierung im Unterricht!

Dennoch besteht zur Euphorie kein Grund: Auch auf diesem Feld gibt es noch vieles zu ackern. Leider lassen solche beobachtbaren Fortschritte in weiterführenden Schulen noch zu wünschen übrig. So ist das Schicksal eines Hochbegabten, naturwissenschaftlich und technisch talentiert, der an einer FH für Ingenieurwesen locker im dritten Semester bestehen könnte und an Englisch und Französisch scheitert, kein Einzelfall. Besonders die Sprachlastigkeit der Gymnasien führt zu einem boomenden Technik-Talent-Tourismus nach Schottland und in die neuen Bundesländer.

Hier schließen sich nun bildungspolitische Diskussionsanregungen an. Bleibt die Regelschule der geeignete Förderort oder brauchen wir Spezialschulen? Welche Rahmenbedingungen müssen aus Sicht der Schulen, Eltern, Schulaufsicht erfüllt werden? Wie können eine qualifizierte Diagnosestellung und Fördermöglichkeiten gesichert werden? Welche Kooperationsnetze müssen auf- und ausgebaut werden? Wie ist es um das Handlungsfeld Forschung und Lehre bestellt?

Aus schulpsychologischer Sicht steht zumindest die Notwendigkeit eines Ausbaus qualifizierter Beratung der Betroffenen fest.

Angela Seewald ist im Schulpsychologischen Dienst der Stadt Leverkusen tätig und schon seit über 10 Jahren im Bereich der Hochbegabung engagiert. Unter anderem war sie Schulpsychologin im BLK-Modellversuch zur Förderung von besonderen Begabungen in der Grundschule.


 

Autor(in): Angela Seewald
Kontakt zur Redaktion
Datum: 20.06.2000
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