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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 18.09.2003:

"Unser Leitbild ist das des Lehrers als pädagogische Führungskraft im `Unternehmen´ Schule"

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände plädiert für eine praxisnahe Reform der Lehrerausbildung
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Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt

Bildung PLUS: Herr Hundt, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hat konkrete Vorschläge zur Reform der Lehrerausbildung entwickelt. Sie empfiehlt ein Bachelor- und Master-Studium und Trainee-Programme anstatt Staatsexamen und Referendariat. Was ist so schlecht an der traditionellen Ausbildung?

Hundt: Die Einführung von Bachelor und Master ist kein Selbstzweck. Wir sind der Überzeugung, dass damit die notwendige inhaltliche Neuausrichtung der Lehrerbildung besser erreicht werden kann als in den alten Strukturen. Das heißt vor allem: Verstärkte Orientierung an der Schulpraxis und mehr Gewicht bei den Diagnosefähigkeiten und Führungsqualitäten. Außerdem sehen wir mit der gestuften Studienstruktur eine weitaus größere Flexibilität verbunden. Zwischen Bachelor und Master kann der zukünftige Lehrer sich noch für andere Unterrichtsfächer oder Schulformen entscheiden. Was das Referendariat angeht, so wird seit langem eine schlüssige Konzeption für eine systematische Berufseingangsphase gefordert, bislang aber fehlt diese noch. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass die jungen Lehrer für ihre Professionalisierung eine strukturierte Begleitung durch Coaching, Förderkonzepte und eine individuell wie systematisch ausgerichtete Personalentwicklung brauchen. In unseren Unternehmen nutzen wir dazu Trainee-Programme. Ein Modell, das wir auch für den Schulbereich für sehr gut geeignet halten.

Bildung PLUS: Welches sind die Eckpunkte eines Bachelor- und Master-Studiums und eines anschließenden Trainee-Programmes und welche Rolle nimmt der Lehrer in diesem System ein?

Hundt: Das Studium soll als eine Theorie und Praxis durchgängig verbindende und damit duale Lehrerausbildung konzipiert werden. Die Praxisanteile sind theoretisch vor- und nachzubereiten, damit ein wirklicher Lernerfolg erzielt wird. Die Inhalte der Lehrerbildung sind an den Bildungsstandards und Kerncurricula für die Schulen auszurichten, die von den Bundesländern zurzeit entwickelt werden. Damit angehende Lehrer einen Überblick über die unterschiedlichen Arbeitsfelder ihres Berufs gewinnen, sollten sie in ihrer Ausbildung jede Schulform in einem eigenen Praktikum kennen lernen. Alle Schulformen, einschließlich der Grundschule, sind mit einem eigenen Abschluss vorzusehen. Die Aneignung von Diagnosefähigkeit und die Entwicklung von Führungsqualitäten müssen in der Ausbildung weit oben rangieren. Die Entwicklungs- und Lernpsychologie und die Lehr- und Lernforschung brauchen einen neuen und hohen Stellenwert. Auch die fachliche und methodische Kooperation im Team muss trainiert werden, genauso wie die Kooperation mit den Eltern. Die Reform der Lehrerbildung wird aber ziel- und wirkungslos und in der Folge der Beruf unattraktiv bleiben, wenn sie sich nicht an einem klaren Leitbild für den Lehrerberuf orientiert. Unser Leitbild ist das des Lehrers als pädagogische Führungskraft in der Schule. Die Rolle der Lehrer wandelt sich gegenüber der traditionellen Sicht in der Gestaltung des Unterrichts, in der pädagogischen Personalverantwortung und in der Mitverantwortung für den Erfolg der Schule.

Bildung PLUS: Sie befürworten zwei Eignungstests für zukünftige Lehrer. Einen zu Beginn des Bachelor-Studiums, den anderen vor dem Master-Studium. Über welche Eigenschaften sollen zukünftige Lehrerinnen und Lehrer verfügen? Welche Fort- und Weiterbildungen bieten Sie in der Wirtschaft an, damit bereits amtierende Lehrer diese Qualifikationen erwerben können?

Hundt: Lehrer als pädagogische Führungskräfte brauchen vor allem Liebe und Zuneigung zu Kindern und Verständnis und Respekt gegenüber Jugendlichen. Darüber hinaus benötigen sie neben der fundierten fachwissenschaftlichen Ausbildung die Fähigkeit zur Führung, Entwicklung und Beurteilung der ihnen anvertrauten Schüler. Lehrer sollen Stärken und Schwächen der Schüler richtig einschätzen, regelmäßige und systematische Beratungsgespräche mit Schülern und Eltern führen und Defiziten mit geeigneten Fördermaßnahmen begegnen können. Das Konzept der Schulentwicklung verlangt ferner vom Lehrer, Schule und Unterricht immer auch auf Qualitätsverbesserungen zu überprüfen. Gerade hier können Schulen und Lehrer Angebote der Wirtschaft im Bereich der Qualitätsverbesserung nutzen. Die Arbeitskreise SCHULEWIRTSCHAFT, Arbeitgeberverbände und Bildungswerke der Wirtschaft machen verschiedenste Angebote an Fortbildungen, die Lehrer und Schulen unterstützen.

Bildung PLUS: Ihr Lehrerbild setzt eine ausgesprochen selbstständige Schulleitung voraus. Was ist, wenn Schulleitungen diese Eigenverantwortlichkeit nicht übertragen wird?

Hundt: Wir sind ja bereits auf dem Weg zu mehr Eigenverantwortlichkeit. So sind in der Mehrzahl der Bundesländer Reformen im Gange, die auf eine größere Selbstständigkeit der Schulen abzielen. Und auch hier bietet die Wirtschaft ihre Unterstützung z.B. in Form von Schulleiterseminaren an. Für die Schulleitung ist insbesondere das Know-how der Wirtschaft in der Unternehmens- und Personalführung von zentraler Bedeutung.

Bildung PLUS: Der Lehrer soll Mitglied eines gut funktionierenden "Unternehmens" Schule sein. Lassen sich Systeme und Begriffe, wie man sie aus der Wirtschaft kennt - "Unternehmen", "Trainee-Programme" - ohne weiteres auf Schule, einen Ort des Lernens und Lebens junger Menschen übertragen?

Hundt: Es geht nicht um Begriffe, sondern um Konzepte beispielsweise der Personalentwicklung oder der Qualitätsverbesserung, von denen die Schule lernen kann. Diese Konzepte lassen sich natürlich nicht einfach übertragen, sondern müssen auf die Schule zugeschnitten sein. Genau das haben wir mit unserem vorliegenden Vorschlag zum Trainee-Programm getan. Im Übrigen wissen wir nach 50 Jahren Arbeit in unseren SCHULEWIRTSCHAFT-Arbeitskreisen, in denen Unternehmen und Verbände mit Schulen und Lehrern vertrauensvoll kooperieren, sehr viel voneinander und kennen die jeweiligen Besonderheiten und Strukturen sowie die Unterschiede gut genug.

Bildung PLUS: Welches sind die Eckpfeiler dieses "Unternehmens" Schule? Wie kann dessen Erfolg gemessen werden?

Hundt: Das "Unternehmen" Schule braucht mehr Eigenständigkeit in pädagogischer, finanzieller und personeller Hinsicht. Es benötigt dabei eine adäquate technische, infrastrukturelle, finanzielle und personelle Ausstattung, die es ihnen ermöglicht, ihren verantwortungsvollen Aufgaben nachzukommen. Die Schulleitung ist für die Gesamtführung und Steuerung des "Unternehmens" Schule verantwortlich. Schulleitung ist aus unserer Sicht ein eigener Beruf, der auch eine eigene Qualifikation erfordert. Die Lehrer sind - wie bereits ausgeführt - pädagogische Führungskräfte, die mitverantwortlich sind für den "Unternehmenserfolg". Um den Bildungserfolg "messbar" zu machen, werden gerade von der KMK bundesweite Bildungsstandards und ein System der externen Qualitätssicherung entwickelt.

Bildung PLUS: Erfolgreiche Unternehmen expandieren und machen Gewinn - schlechte Unternehmen sterben. Wie wird es den erfolgreichen und den nicht so erfolgreichen Schulen gehen?

Hundt: Zunächst einmal sollten wir nicht so tun, als gäbe es nicht schon heute bessere und schlechtere Schulen. Nur war dies bisher nur schwer objektiv erfassbar und auch Konsequenzen blieben in der Regel aus. Das wird jetzt mit der schon erwähnten Einführung der Bildungsstandards und der externen Qualitätssicherung anders werden. Dabei geht es nicht darum, Schulen oder Lehrer, die diese Standards nicht erreichen, abzustrafen. Vielmehr muss das Ziel sein, Unterstützungen bei der systematischen Qualitätsverbesserung zu geben. Allerdings will ich auch, dass es vermehrt leistungs- und erfolgsorientierte Entgeltbestandteile für Schulleiter und Lehrer gibt, wie es bei Führungskräften in anderen Bereichen längst üblich ist.

Bildung PLUS: Herr Hundt, was zeichnete denn Ihre Lieblingslehrer während Ihrer Schulzeit aus?

Hundt: Meine Lieblingslehrer waren fast immer die Sport- und Mathematiklehrer. In beiden Fächern war ich sehr gut und brauchte nicht stur zu pauken, um gute Leistungen zu erbringen.

 

Dr. Dieter Hundt, Jahrgang 1938, Studium des Maschinenbauingenieurwesens an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich, Promotion. Seit 1975 Geschäftsführender Gesellschafter der "Allgaier Werke GmbH", Uhingen, seit 1976 Alleingeschäftsführer. 1996 wurde er zum BDA-Präsidenten gewählt. 2003 verfassten die Arbeitgeber gemeinsam die Empfehlungen für eine neue Lehrerbildung "Master of Education". Sie sind auf der Grundlage ihrer 2001 erschienenen Publikation "Führungskraft Lehrer" entstanden und befürworten eine praxisnahe Reform des Studiums.

Autor(in): Petra Schraml
Kontakt zur Redaktion
Datum: 18.09.2003
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