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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 06.02.2003:

„Nur mit gutem Willen geht es nicht, man muss auch können“ – Teil 2

Steuern will gelernt sein - beim Autofahren aber auch beim Schulmanagement
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Wilfried Lohre

Bildung PLUS: Welche Aufgabe hat die Bertelsmann Stiftung bei der Qualifizierung für den Schulversuch?

Lohre: Die Bertelsmann Stiftung führt keine eigene Fortbildung durch. Wir haben uns mit dem Ministerium für Schule, Jugend und Kinder NRW auf ein System von Fortbildung geeinigt und erarbeiten zum Teil auch die Fortbildungskonzepte. Fortbildung muss für jeden Lehrer ermöglicht werden, wenn er will. Aber auch für die schulischen Steuergruppen, für die Schulleiter, für den Lehrerrat, für die Schulaufsicht. Es gibt also eine Fülle verschiedener Qualifizierungsmaßnahmen, die sich an unterschiedliche Zielgruppen wenden.

Die Schulleiter und Lehrerräte haben schon mit ihrer Qualifizierung in Sachen Dienstrecht begonnen. Für die Schulleiter werden sich weitere Fortbildungen im Zusammenhang mit ihrer besonderen Leitungsverantwortung folgen. Bei den Lehrern richtet sich die Fortbildung nach den Entwicklungsvorhaben. Die schulischen Steuergruppen erhalten eine kompakte prozessbegleitende Fortbildung zum Schulentwicklungsmanagement.

Bei der Qualifizierung für regionale Steuergruppen ermitteln wir gerade den Fortbildungsbedarf und ermitteln dann ein entsprechendes Fortbildungskonzept.

Bildung PLUS: Wie werden die Fortbildungen im Schulversuch finanziert?

Lohre: Wir haben eine Matrix mit den verschiedenen Qualifizierungen erstellt. Es gibt eine Dreiteilung in inhaltlicher, organisatorischer und finanzieller Verantwortung. Das Land zahlt die Schulleiter-Fortbildung, Lehrerrats-Fortbildung, Schulaufsichts-Fortbildung. Das alles wird durch den Innovationsfonds des Landes NRW finanziert.

Bei der Qualifizierung der schulischen Steuergruppen ist die Projektleitung inhaltlich verantwortlich. Die organisatorische Verantwortung übernimmt die regionale Steuergruppe. Bezahlt werden die Fortbildungen durch den regionalen Entwicklungsfonds. Der Fonds wird aus zwei Quellen gespeist: Jährlich je 2500 EUR pro Schule vom Land und 2500 EUR pro Schule von der Stadt.

Ein Beispiel: Krefeld etwa hat ca. 27 Schulen im Schulversuch. Vom Land und von der Stadt fließen demnach jeweils jährlich 67.500 Euro in den regionalen Entwicklungsfonds. Die regionale Steuergruppe entscheidet über die Verwendung dieser Mittel vor allem für Qualifizierungsmaßnahmen. 

Bildung PLUS: Gibt es da auch einen Markt für Fortbildungen?

Lohre: Bei der Projektleitung haben sich ca. 25 bis 30 Trainer und Fortbildner aus unterschiedlichen Bereichen gemeldet, die wir den Regionen vermittelt haben. Die regionalen Steuergruppen erhalten damit Anhaltspunkte, an wen sie sich wenden können, wenn die Schulen Qualifizierungsbedarf haben, der über das bisher angebotene Programm hinausgeht. Ohne Unterstützung läuft das Modellvorhaben nicht und Unterstützung heißt in erster Linie Qualifizierung und nicht Geld. Wir wollen Schulen in die Lage versetzen, alleine weiterzugehen und sie nicht am Tropf hängen lassen. Das hat man früher gemacht, als man den Schulen einen Berater an die Seite gestellt hat, der nach zwei Jahren ging und die Schulen konnten noch immer nicht alleine gehen. Wir wollen, dass die Schulen selber etwas lernen. Also geben wir erst einmal einen Input. Erst wenn die Schulen danach alleine nicht über die Hürden kommen, dann müssen wir sie beraten und gegebenenfalls weiter qualifizieren.

Bildung PLUS: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft der Lehrerinnen und Lehrer sich qualifizieren zu lassen? Sind Lehrerinnen und Lehrer gute Schüler?

Lohre: Lehrerinnen und Lehrer wollen alle hochwertige Arbeit leisten. Aber nicht zuletzt durch sich wandelnde Anforderungen an Schule sind viele zunehmend verunsichert, wie sie diesem hohen Anspruch an sich selbst gerecht werden können. Deshalb geht es in unserem Projekt nicht zuletzt darum, den Lehrern passgenaue, praxisbezogene und hochwertige Unterstützung anzubieten. Das muss Fortbildung leisten, denn wenn sie das nicht tut, werden die Lehrerinnen und Lehrer abspringen, was dem Modellversuch insgesamt schaden würde.

Bildung PLUS: Wie muss man sich die Mitwirkung von Schülerinnen und Schülern an "selbständigen Schulen" vorstellen?

Lohre: Man muss zwischen Mitwirkung an wichtigen Entscheidungen und der Umsetzung dieser Entscheidungen unterscheiden. Es ist nicht Aufgabe der Schüler für die Umsetzung von Entscheidungen zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen, sondern sie sollen mitentscheiden, ihre Wünsche, ihre Forderungen auf dem Tisch legen und überlegen, wie man Probleme lösen kann. Aber Probleme müssen diejenigen lösen, die dafür verantwortlich sind.

Die schulische Steuergruppe muss einen Weg finden, mit der gesamten Schülerschaft zu kommunizieren, nicht nur mit den Schülerfunktionären: Wo wollt ihr hin? Was stellt ihr euch vor? Sind wir auf den richtigen Weg? Wo müssen wir Korrekturen vornehmen? Wenn die Schüler ihre Vorstellungen geäußert haben, ist es Aufgabe der Steuergruppe, Lösungen zu finden und die Vorstellungen umzusetzen.

Bildung PLUS: Wie wichtig ist Demokratie bei "selbstständigen Schulen"?

Lohre: Innerschulische Transparenz und Mitwirkung der verschiedenen Gruppen, die an der Schulentwicklung beteiligt sind, ist mit Sicherheit eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Schulen sich überhaupt zielgerichtet entwickeln können. Wenn eine Schule sich auf das Ziel festlegt, die Demokratie zu entwickeln dann stellt sich die Frage: Welcher Zusammenhang besteht zum pädagogischen Kernauftrag der Schule?

Als Projektleiter stehe ich außen und frage: Inwiefern verbessert sich die Qualität der schulischen Arbeit und insbesondere des Unterrichts? Das Ziel der Qualitätsverbesserung ist letztlich übergeordnet

Bildung PLUS: Herr Lohre, sind Sie ein "Demokratisierer"?

Lohre: Das ist ein sehr hoher Anspruch. In unserem Projekt geht es in erster Linie darum, die Qualität schulischer Arbeit zu verbessern. Die Partizipation aller Beteiligtengruppen ist aus unserer Sicht eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Schulentwicklung gelingen kann. Hier müssen mit Sicherheit auch völlig neue Partizipationsformen entwickelt werden. In der Region geht es dann darum, das Feld der Beteiligten zu erweitern: Betriebe, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, weitere Bildungsträger. Wenn man das unter Demokratisierung versteht, würde ich dem zustimmen.

Bildung PLUS: Welche Auswirkungen könnte der Modellversuch auf die Gesellschaft langfristig haben?

Lohre: Wenn wir es schaffen sollten, Schüler tatsächlich zu selbstbewussten, lernfähigen Menschen zu bilden, und zwar quer durch die Bank und nicht nur einige wenige an der Spitze, dann hat das Auswirkungen genug auf die Gesellschaft. Wenn wir darüber hinaus feststellen sollten, wie wir mit den Ressourcen sinnvoller umgehen können, dann hat das auch Auswirkungen. Und wenn wir feststellen könnten, die Akteure in der Region kooperieren, indem sie vergleichbare Ziele verfolgen bei ihrer Arbeit für und mit Kindern und Jugendlichen hat das auch Auswirkungen.


Wilfried Lohre, 54, Experte für regionale Bildungslandschaften in der Bertelsmann Stiftung. Er war selbst fast 20 Jahre Lehrer und kennt Schule aus den unterschiedlichsten Perspektiven.  In den siebziger Jahren führte er Lehrerfortbildungen durch, wurde anschließend Dezernent in der Bezirksregierung von Köln und hatte schließlich die oberste Schulaufsicht über die Berufschulen in NRW inne. Seine Vision ist eine Gesellschaft, in der Schülerinnen und Schüler "tatsächlich zu selbstbewussten, lernfähigen Menschen in möglichst großer Zahl werden".


 

Autor(in): Arnd Zickgraf
Kontakt zur Redaktion
Datum: 06.02.2003
© Innovationsportal

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