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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 28.11.2002:

"Wir suchen nicht irgendeine Art von Arbeit"

Life/Work Planning stellt die konventionelle Arbeitssuche auf den Kopf
Das Bild zum Artikel
John Webb

Bildung PLUS: Bewerbungstrainings und die Selbstvermarktung als Ich-AG sind schwer in Mode. Was unterscheidet Life/Work Planning von seinen Konkurrenten?

Webb: Der Zweck. Bei Life/Work Planning stehen Arbeitnehmerbedürfnisse im Mittelpunkt und nicht die Bedürfnisse des Arbeitgebers. Wenn das für Sie oberflächlich und profan klingt, denken Sie über die klassisch bekannten Suchverfahren nach. Lebensläufe, Anzeigen und Vermittlungen sind in erster Linie den Erfordernissen einer Personalabteilung dienlich. Life/Work Planning ist natürlich auch für den Arbeitgeber hilfreich, denn er bekommt einen Mitarbeiter, der sehr genau untersucht hat, ob er in das Unternehmen passt oder nicht, aber der Vorteil für den Arbeitgeber steht erst an zweiter Stelle - im Mittelpunkt steht die suchende Person. Wir suchen also nicht irgendeine Art von Arbeit, sondern eine Tätigkeit, für die man gerne aufsteht.

Bildung PLUS: Zwei Drittel aller offenen Stellen tauchen Schätzungen zufolge gar nicht auf dem Arbeitsmarkt auf. Also scheint Eigeninitiative gefragt. Wie gehen Ihre Teilnehmer vor?
 
Webb: Kurz und knapp könnte man sagen, dass der Arbeitssuchende lernt als eine Art Sherlock Holmes für sich das richtige Unternehmen ausfindig zu machen, den relevanten Entscheidungsträger zu lokalisieren, einen Termin zu vereinbaren und sich im persönlichen Gespräch authentisch zu präsentieren.

Bildung PLUS: Das hört sich wenig nach klassischem Bewerbungstraining an...

Webb: Ja, denn vor dem Betreten des Unternehmens hat der Bewerber eine Menge Vorarbeit geleistet. Jeder muss erst einmal lernen, eigene Fähigkeiten und Interessen - mit einem intensiven Blick in die eigene Biografie - zu bestimmen. In einem nächsten Schritt muss er oder sie lernen, dieses Interesse zu versprachlichen. Mit diesem Angebot macht er sich auf die Suche nach Firmen, die genau zu ihm passen. 

Bildung PLUS: Was für Leute kommen denn in ihre Seminare?

Webb: Da die Seminare über Universitäten angeboten werden, kommt die Mehrzahl der Teilnehmer aus dem akademischen Milieu. Der typische Teilnehmer ist zwischen 28 und 50 Jahren, das Durchschnittalter bei 36 oder 37 Jahren. Natürlich kommen auch Gymnasiasten, die herausfinden wollen, ob und was sie studieren sollen, Studienabbrecher und frisch gebackene Uni-Absolventen. Die meisten Leute kommen aber erst, wenn sie seit einigen Jahren im Berufsleben stehen und langsam merken, dass der Sinn des Arbeitens nicht allein darin bestehen kann, ein loyaler und braver Mitarbeiter zu sein für ein Unternehmen, das am nächsten Tag 2000 Mitarbeiter entlässt. Viele ältere Teilnehmer beklagen sich, dass sie Life/Work Planning nicht schon früher entdeckt hätten. Dabei vergessen sie aber, dass viele junge Menschen noch nicht bereit sind, zwei Wochen in ihre Zukunft zu investieren. 

Bildung PLUS: Also kann es sein, dass ein gestandener Jurist nach dem Seminar einen Fahrradladen aufmacht?

Webb: Natürlich gibt es diese Beispiele, dass der Philosoph zum Controller wird oder eine Theologin, die zu einem Verlag wechselt. Aus der Sicht eines Berufsberaters sind das natürlich radikale Veränderungen, doch der scheinbare Spurwechsel verliert an Schärfe, weil bei Life/Work Planning genau diese Interessen als ständige biografischen Begleiter herausgearbeitet werden.
Ich würde das nie unter der Rubrik Selbsterfahrung sehen wollen, aber viele Leute in den Kursen sagen, dass sie erst einmal viel über sich selbst lernen mussten. Was mache ich wirklich gerne und was sind die Themen, die mich besonders interessieren? Das sind Fragen, die in der klassischen Schullaufbahn nicht beantwortet werden. Die Schule bringt ihrenSchülern auch keine Techniken bei, wie man seine Fähigkeiten selbst bestimmen und herausfinden kann, was man gerne tut.

Bildung PLUS: Sie bieten die Seminare in mehreren Ländern an. Ist das dort anders?

Webb: Ja. In anderen Ländern werden diese Hilfsmittel schon seit Jahrzehnten angeboten. In Frankreich, der Schweiz, England, Holland, Israel, USA, Kanada und Australien ist Life/Work Planning teilweise bereits im vierten oder fünften Schuljahr ein Pflichtfach. Wenn Kinder selbst erfahren, dass sie Fähigkeiten haben und diese was wert sind, dann pflegen sie später einen ganz anderen Umgang mit dem Arbeitsmarkt. 

Bildung PLUS: Sie sind Amerikaner. Was unterscheidet Amerikaner und Deutsche bei der Berufs- und Lebensplanung?

Webb: Es gibt auf den ersten Blick keine gravierenden Unterschiede. Ich mache die Seminare auch in den USA und die Fragen, die dort gestellt werden, unterscheiden sich überhaupt nicht von den hiesigen Fragen. Der einzige Unterschied ist, dass den Deutschen schon von der Schule an eine "ordentliche Welt" eingetrichtert wird: Ihr macht eine ordentliche Ausbildung, dann ein ordentliches Studium, dann bewerbt ihr euch ordentlich, dann wird eure ordentliche Bewerbung von einer ordentlichen Personalabteilung geprüft, und nach dem ordentlichen Interview folgt eine ordentliche Stelle mit ordentlichem Geld. Die Norm ist aber, dass es eben nicht ordentlich und geradlinig zugeht. Amerikaner wachsen nicht mit dieser Vorstellung von Ordentlichkeit auf. Ein Beispiel: Jedes Jahr ziehen 22 Prozent der Amerikaner um. Mobilität und Flexibilität sind in den USA keine Schlagworte, sondern gelebte Realität.

Bildung PLUS: Es muss  ein gutes Gefühl sein, wenn Ihnen Leute schreiben, dass die Methode funktioniert hat und sie nun einen Job haben oder verlieren sie die Teilnehmer nach den Seminaren völlig aus den Augen?

Webb: Oh yeah, ich liebe das! Das wichtigste Feedback für mich sind die aus jedem Kurs entstehenden E-Mail-Gruppen, die ich regelmäßig beobachte. Allerdings aus der zweiten Reihe, denn es ist sehr wichtig, dass der Trainer sich überflüssig macht. Die Gruppen organisieren ihr Netzwerk selbst.

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 28.11.2002
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