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Bildung + Innovation Das Online-Magazin zum Thema Innovation und Qualitätsentwicklung im Bildungswesen

Erschienen am 04.07.2002:

Lehrerausbildung auf dem Prüfstand

Deutschland ist im Vergleich zu allen anderen OECD-Staaten der Spitzenreiter in der Dauer der Lehrerausbildung. Nirgendwo anders brauchen Studenten so viel Zeit, um unterrichten zu dürfen. Dass eine lange Ausbildung kein Garant für die Qualität des Unterrichts sein muss, bewies das schlechte Abschneiden Deutschlands in der Pisa-Studie. Experten ziehen schon lange gegen das reformresistente Lehramtsstudium zu Felde: Fachdidaktik, Erziehungswissenschaft und fachwissenschaftliches Studium seien nicht verzahnt, der Praxisbezug fehle und eben die Studienzeiten seien zu lang. Unter den derzeitigen Studienbedingungen sind Reformen aber kaum möglich. Nur jeder dritte Lehramtsstudent kommt in der Schule an - in Zeiten des drohenden Lehrermangels ein Fiasko. Auch die schulformbezogene Lehrerausbildung fördere die in Pisa manifestierte soziale Auslese an deutschen Schulen. "Eine begabungstheoretische Schere im Kopf der Lehrer", nennt dies Eiko Jürgens, Professor für Pädagogik an der Universität Bielefeld. Pisa belege, so der Pädagogikprofessor, dass diese Ausbildungsformel nicht aufgehe.

Nach dem grünen Licht der Kultusministerkonferenz im Frühjahr diesen Jahres ist in Nordrhein-Westfalen an mehreren Universitäten nun der Weg frei für einen Modellversuch in der Lehrerausbildung mit Bachelor- und Masterstudiengängen. Ab dem Wintersemester 2002 können zum Beispiel Studierende an der Universität Bochum ein fachwissenschaftliches Basisstudium absolvieren, in dem auch berufsübergreifende Schlüsselqualifikationen vermittelt werden. Danach müssen sie sich für ein spezielles Master-Studium entscheiden, in dem die angehenden Lehrer ihr fachdidaktisches und pädagogisches Rüstzeug für die Schule mitbekommen. Mit der Zustimmung durch die Kultusministerkonferenz ist gewährleistet, dass die Abschlüsse bundesweit anerkannt werden.

Nicht nur Überzeugung, sondern auch die Standortfrage der Universitäten stand Pate für den Reformwillen. Die herkömmliche Lehrerausbildung kann zu einem Auslaufmodell werden und einige Fakultäten wollten durch die Beteiligung an dem auf sieben Jahre geplanten Modellversuch ihr Fortbestehen sichern. Mittlerweile bewegen sich auch andere Bundesländer in diese Richtung: Hamburg will ein verbindliches Curriculum in der fachlichen und fachdidaktischen Ausbildung entwickeln, Hessen fasst die Organisation der Lehrerausbildung in einem Amt zusammen und Bayern und Baden-Württemberg, die deutschen Spitzenreiter bei Pisa, halten an der praxisorientierten Lehrerbildung der Pädagogischen Hochschulen fest. Außer Nordrhein-Westfalen wollen sowieso alle reformwilligen Bundesländer an der zweiphasigen Ausbildung mit Staatsexamen festhalten.

Noch mehr unter Kritik als das konsekutive Studienmodell steht die Spezialisierung auf die Schulform: Ab dem Wintersemester 2003 soll es in Nordrhein-Westfalen ein einheitliches Lehramt für Grund-, Haupt- und Realschulen geben. Trotz mehr Praxisbezug und einer Verpflichtung zur Weiterbildung in der unterrichtsfreien Zeit, kritisiert die Opposition in Düsseldorf den Vorstoß als "Einheitsbrei", der aus Kostengründen ins Leben gerufen wurde. NRW-Wissenschaftsministerin Gabriele Behler kontert mit flexiblen Einsatzmöglichkeiten: In Nordrhein-Westfalen würden die Hauptschulen schließlich unter akutem Lehrermangel leiden und Grundschullehrer könnten auf der anderen Seite nicht vermittelt werden.

Behler zeigte sich auch schon bei der Vorstellung des Konzepts im Jahr 2001 überzeugt, dass sich Nordrhein-Westfalen mit der gestuften Lehrerausbildung auf der "Ausfahrt in die Zukunft" befinde und dass die Reform ein "Quantensprung" für die kommenden Lehrergenerationen sei. "Schmalspurstudium" nennen es Kritiker verächtlich, weil die gestufte Lehrerausbildung für sie ein klarer Rückschritt in puncto Qualität bedeutet.
In Düsseldorf hat man wenig Verständnis für die Argumente der Reformgegner, denn schließlich "ist das Master-Studium ein maßgeschneidertes Angebot an Fachdidaktik und Erziehungswissenschaften für Lehrer. Das ist die Chance, einen neuen Qualitätsstandard für die Lehrerausbildung zu schaffen", so Staatssekretär Hartmut Krebs aus dem Düsseldorfer Wissenschaftsministerium.

In Deutschland scheint sich einiges in der Lehrerausbildung zu tun - nur an einem Tabu wird nicht gerüttelt: Dem Beamtenstatus. Die Unkündbarkeit stehen einem Steuerungsinstrument im Weg, das zum Standardrepertoire des Arbeitsmarktes gehört: Der Leistung. Doch nach Pisa-E könnte auch dieses Tabuthema fallen.

Autor(in): Udo Löffler
Kontakt zur Redaktion
Datum: 04.07.2002
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